Ich bin Beifahrer. Eine Freundin fährt. Wir sind auf der Autobahn und wir philosophieren über andere Autofahrer. Wie sinnlos es ist, sich über den Verkehr und deren Teilnehmer aufzuregen. Verschwendete Energie, verschwendete Lebenszeit. "Weißt du Stef, ich bin da total relaxt. Ich rege mich da nicht auf." Während dieses Satzes sehe ich im Rückspiegel, dass ein Sportwagen schnell näher kommt. Wir sind auf der rechten Spur - 500 Meter vor uns eine Ausfahrt. Meine Augen werden größer und ich wollte gerade sagen, dass gleich ein Auto in unser Heck aufschlägt, als der Sportwagen links rüber zieht, an uns vorbei und - und er nimmt die Ausfahrt. Meine Freundin regt sich die nächsten zwei Kilometer ohne Luft zu holen auf. Roter Kopf. Nach den zwei Kilometern passiert was ver-rücktes. Der ersten Satz, nach diesem kleinen Wutanfall: "Ich lass mich beim Autofahren nie aus der Ruhe bringen". Wow. Was ist da gerade passiert. Es geht mir nicht darum, ob der Ausraster "gerecht-fertigt" war oder nicht. Was ich faszinierend fand, war der offensichtliche Widerspruch ihrer Aussage zu ihrem Verhalten. Wir Menschen haben zwei Möglichkeiten unser Selbstbild aufzubauen. Und damit auch zwei Selbstbilder. Ein aktives Selbstbild über die Sprache und ein passives über beobachten und be-greifen. Was Menschen zu uns sagen und was wir über uns denken wird zu unserem aktiven Selbstbild. Was wir bei anderen beobachten und was unser Unterbewusstsein für korrekt hält, wird unser passives Selbstbild. Gerade bei Kindern wird hier klar, dass wir als Erwachsene eine Vor-Bild-Funktion haben. Nicht nur, indem, was wir sagen, sondern vor allem, was wir tun und wie wir reagieren. Bei meiner Freundin könnte es also gut sein, dass sie als Kind im Kindersitz auf der Rückbank gesessen ist, als ihr Vater ähnlich wie sie jetzt reagierte. Wenn das der Papa macht, dann muss das wohl das korrekte Verhalten in so einer Situation sein - so könnte ihr Unterbewusstsein "gedacht" haben. Das spannendste: Wir selbst er-kennen den Unterschied dieser aktiven und passiven Selbstbilder bei uns in den seltensten Fällen. Es ist uns nicht bewusst und wir glauben wirklich was wir sagen. Ich glaube, dass meine Freundin wirklich geglaubt hat, sie wäre in jeder Verkehrslage ruhig und besonnen. Sie merkte auch auf nachfrage nicht, dass sie sich widersprüchlich verhalten hat. Das gleiche kannst du beobachten, wenn dir jemand erzählt, ihm sei Ehrlichkeit sehr wichtig. Kurze Zeit später flunkert er seine Eltern an und sagt er hätte keine Zeit, obwohl er nichts anderes zu tun hat. Oder du erwischst ihn, wie er dich anlügt. Trotzdem würde die Person behaupten, sie sei ehrlich. Wir merken es nur sehr selten selbst. Auch wenn es für Außenstehende offensichtlich erscheint. Wir alle haben ein aktives und ein passives Selbstbild. Und niemand von uns hat beide vollständig identisch. Weder ich, noch du. Unser Ziel kann es nur sein, dass beide möglichst nah beieinander sind. Und sich auch entsprechend ent-wickeln. Umso näher beide sind, umso eher spüren wir bei einer Person Authentizität. Authentizität ist also ein möglichst deckungsgleiches Selbstbild. Sage, was du tust, aber tu dann auch, was du sagst. Das nennen wir authentisch. Schaffen wir das alleine? Manchmal. Schaffen wir das mit Freunden? Unserem Partner? Bestimmt. Reflektion - sich selbst und seinen Partner gegenüber. Eine Beziehung kann die beste Persönlichkeitsentwicklung sein. Durch ehrlichen Austausch. Kommun-ikation - also das schaffen von Gemeinschaft. Ich wünsche dir eine liebevolle und authentische Beziehung.
Authentizität
Aktualisiert: 21. Juli 2019
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