Dein innerer Kompass: Das Deep O.C.E.A.N. Coaching
- Stef
- 8. Juni
- 5 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 9. Juni
Stell dir vor, du hast einen inneren Kompass, der dir hilft, dich selbst und andere besser zu verstehen. Genau darum geht es im Deep O.C.E.A.N. Coaching. Es hilft dir zu erkennen, warum du Dinge so wahrnimmst, fühlst, denkst und tust, wie du es eben tust. Dein Charakter (altgriechisch für Prägung) ist da ein ganz wichtiger Teil von – er ist wie ein ziemlich stabiles Fundament für dein Verhalten.
Aber keine Sorge: Auch wenn dein Charakter ab einem bestimmten Alter ziemlich stabil ist, kannst du deine Verhaltens- und Denkmuster trotzdem ändern! Denn du bist nicht dein O.C.E.A.N. Modell – aber es ist ein Teil von dir. Das ist eine der zehn wichtigen Grundannahmen, die hinter diesem Coaching stehen. Jede deiner Charaktereigenschaften bringt bestimmte Bedürfnisse mit sich und hat sowohl Chancen als auch Risken. Dein Verhalten ist immer ein Mix aus deinem Charakter, deinen Erlebnissen, der Kultur, in der du lebst, und manchmal auch einfach aus Glück oder Pech. Manchmal lernst du sogar, dich "entgegen" deinem eigentlichen Charakter zu verhalten. Das kann blöd sein, wenn diese "Abweichung" nicht lebensdienlich ist und viel Kraft kostet – oder super, wenn diese "Abweichung" leicht fällt und lebensdienlich ist.
Interessant könnte auch folgendes sein ... wenn du unter großem Stress stehst und das Gefühl hast, die Kontrolle zu verlieren, kommen oft die sogenannten "4 F's" zum Vorschein: Kampf (Fight), Flucht (Flight), Erstarren (Freeze) oder Gruppenbildung (Flock). Das sind alte, gelernte Stressreaktionen, die uns in solchen Momenten leiten können.
Dein Charakter-Code: Das Deep O.C.E.A.N. Modell
Das Deep O.C.E.A.N. Modell ist wie eine Gebrauchsanweisung deines Charakters, aufgeteilt in fünf Hauptbereiche (O.C.E.A.N.) und jeweils zwei Unterbereiche:
O – Offenheit für Erfahrung (Openness): Hier geht es darum, wie sehr du neue Dinge erleben (Erleben) oder komplexe Gedanken verstehen möchtest (Intellekt).
Erleben: Sensitivität für Ästhetik und Kreativität.
Niedrig: Warum ist ein oberflächlicher Schnickschnack überhaupt wichtig?
Hoch: Wie kann man das denn nicht sehen? Hat die Person denn gar kein Gefühl für Ästhetik?
Intellekt: Interesse an abstrakten Ideen und Konzepten – Intellekt bedeutet übrigens nicht Intelligenz – das wäre eine Kategorie außerhalb der Deep O.C.E.A.N. Modells.
Niedrig: Mach doch mal langsam!
Hoch: Mach doch mal schneller!
C – Gewissenhaftigkeit (Conscientiousness): Das beschreibt, wie fleißig du bist und wie sehr du auf Ordnung achtest.
Fleiß: Fähigkeit lange, zielgerichtete Anstrengungen auszuüben.
Niedrig: Wieso kann man nicht einfach mal chillen?
Hoch: Wie kann man nur so faul sei?
Ordnung: Tendenz zu planen, zu organisieren und zu systematisieren.
Niedrig: Warum ist er nur so ein Korinthenkacker?
Hoch: Warum ist sie nur so eine Chaotin?
E – Extraversion (Extraversion): Das zeigt, wie viel Energie du aus sozialen Kontakten ziehst (Enthusiasmus) und wie durchsetzungsstark du bist (Dominanz).
Enthusiasmus: Begeisterungsfähigkeit und spontane Freude.
Niedrig: Ich liebe das Geräusch, das du machst, wenn du die Klappe hältst!
Hoch: Komm mal mehr aus dir raus!
Dominanz: Fähigkeit und Bedürfnis, sich in sozialen Situationen durchzusetzen. Das bedeutet auch, Grenzen setzen zu können.
Niedrig: Warum ist sie nur so eine Tyrannin?
Hoch: Warum ist er nur so ein Weichei?
A – Verträglichkeit (Agreeableness): Hier geht es um dein Mitgefühl (Empathie) und deine Regelkonformität (Politeness).
Empathie: Gespür und Interesse für die Gefühle Anderer.
Niedrig: Warum muss sie denn ständig über Gefühle reden – es geht doch um die Fakten!
Hoch: Warum ist er nur so ein Stein? Er kann einfach nicht über seine Gefühle sprechen.
Politeness: Neigung soziale Normen und Regeln zu folgen. Ich könnte Politness auch mit "Höflichkeit" übersetzen – wie benimmt man sich am Hofe.
Niedrig: Warum hat er nur so ein Stock im Arsch?
Hoch: Wie kann sie sich nur so daneben verhalten?
N – Neurotizismus (Neuroticism): Mal davon abgesehen, das es sich um einen Zungenbrecher handelt, zeigt diese Dimension, wie du mit Stress umgehst – ob du schnell impulsiv reagierst (Volatilität) oder zu Ängstlichkeit und Rückzug neigst (Rückzug).
Volatilität: Intensive, negative Reaktion auch auf kleine Stressoren.
Niedrig: Warum musst du dich immer so aufregen?
Hoch: Warum kannst du da nur so ruhig bleiben? Ist es dir nicht wichtig?
Rückzug: Tendenz zur Vermeidung im Angesicht von Unsicherheit und Stress.
Niedrig: Wieso muss er sich bei jeder Kleinigkeit ins Hemd machen?
Hoch: Wie kann er nur so unvorsichtig und naiv sein?
Jede dieser Eigenschaften hat, wie du siehst, ihre eigenen "blinden Flecken", ihre "Spannungsfelder" (Risiken und Herausforderungen), und auch ihre spezifischen "Bedürfnisse und Motivatoren".
Dein inneres Zusammenspiel: Psychodynamiken und Neurowissenschaften
Das Spannende ist, wie diese verschiedenen Charakteraspekte in dir zusammenwirken – das nennen wir innere Psychodynamik. Manchmal verstärken sie sich gegenseitig, manchmal stehen sie sich aber auch im Weg, was zu inneren Konflikten führen kann. Ein Beispiel dafür ist, wenn du gleichzeitig sehr durchsetzungsstark (Dominanz) und sehr mitfühlend (Empathie/Politeness) bist. Du musst dann oft abwägen, ob du deine eigenen Bedürfnisse durchsetzt oder auf andere Rücksicht nimmst. Die Entscheidung hängt dann stark von der Situation ab.
Auch wenn Deep O.C.E.A.N. sehr individuell ist und es daher keine "Schubladen" gibt, kann es helfen, etwas zu vereinfachen und daher hier ein paar Beispiele für solche inneren Zusammenspiele:
Das hungrige Eichhörnchen: Du bist super begeistert von vielen Ideen und fängst sofort an (viel Enthusiasmus/Fleiß), aber dir fehlt die Struktur, um alles geordnet zu erledigen (wenig Ordnung). Im Winter findest du dann kaum Nüsse ...
Der übermütige Hund: Du bist sehr dominant und direkt, wirst aber schnell wütend oder ängstlich, wenn etwas schiefläuft (viel Dominanz/Neurotizismus) – und hast dann vielleicht Mitleid mit dem, was du angerichtet hast (viel Empathie).
Das frustrierte Faultier: Du hast hohe Ansprüche an dich selbst und möchtest alles perfektionistisch und intellektuell durchdacht haben (hohe Ordnung/Intellekt), aber es fehlt dir der Antrieb und die Motivation, es auch umzusetzen (wenig Fleiß/Enthusiasmus). Das führt dann zu Frust und dem Gefühl, faul zu sein.
Im Team gibt es auch "Spannungsfelder" (wo Personen sehr unterschiedliche Ausprägungen haben, was zu Konflikten führen kann, aber auch zu besseren Lösungen durch unterschiedliche Perspektiven) und "blinde Flecken" (wo alle ähnlich ticken, was Konflikte minimiert, aber wichtige Aspekte übersehen lassen kann). Das gilt natürlich auch für romantische Beziehungen.
Und warum tickst du so? Die Neuroanatomie des Charakters – also wie dein Gehirn aufgebaut ist – gibt uns da wichtige Hinweise. Achtung, jetzt kommt etwas für sehr gehirninteressierte.
Jede O.C.E.A.N.-Dimension ist mit bestimmten Gehirnbereichen und -systemen verbunden:
Offenheit hängt mit Systemen zusammen, die für Tagträume (Medial Frontoparietal Network), Werteinschätzung (Anterior Cingulate Cortex) und unbewusstes Lernen (Cortical-Subcortical Circuit) zuständig sind.
Extraversion ist eng verknüpft mit dem Belohnungssystem des Gehirns (Mesolimbisches System, Ventromedialer Präfrontaler Kortex) und Systemen, die Schmerz und Stress regulieren (Endogenes Opiate System).
Gewissenhaftigkeit wird dem Bereich zugeordnet, der für abstrakte Ziele (Dorsolateraler Präfrontaler Kortex), zielgerichtete Aufmerksamkeit (Ventral Attention Network) und zielgerichtetes Verhalten (Frontoparietal Network) wichtig ist.
Verträglichkeit hängt mit Gehirnbereichen zusammen, die Normen und Ethik (Medialer Präfrontaler Kortex), das Hineinversetzen in andere (Temporoparietal Junction) und die Emotionsregulierung (Präfrontaler Kortex) steuern.
Neurotizismus ist mit der "Alarmanlage" deines Gehirns (Amygdala), dem emotionalen Gedächtnis (Hippocampus) und einem Bereich, der Abweichungen zwischen Plan und Realität verarbeitet (Angularer Gyrus), verbunden.
Zusammenfassend kann man sagen: Das Deep O.C.E.A.N. Modell hilft dir, dich selbst – deinen Charakter und dein Verhalten – ganz genau zu verstehen. Die Neurowissenschaften erklären, warum das so ist und wie dein Gehirn funktioniert. Und durch gezieltes Coaching und körperlich-geistiges Training kannst du deine Stärken nutzen und mit Herausforderungen umgehen. Denn letztlich geht es darum, dein Leben so zu gestalten, dass du aus dem Überlebensmodus in den Erlebensmodus wechseln kannst.

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